Hanns Peter Zwißler - ein deutscher Autor

Rezension zu Österle & Escher

Rezension von Charis Haska, Autorin, Oktober 2023

Eine schöne Möglichkeit, auf gute Literatur aufmerksam zu werden, bieten Lesungen des Verbandes deutscher Schriftstellerinnen und Schriftsteller. Bei einer solchen habe ich Hanns Peter Zwißlers "Österle&Escher" für mich entdeckt, das mich für eine gute Woche völlig in seinen Bann gezogen hat. Hier war ein Meister am Werk!

Zwißler schafft es, in einem nahezu statischen Szenenbild durch und durch spannend eine große Geschichte von der Vielschichtigkeit und Vielseitigkeit des Lebens zu erzählen. Hätte ich ihn nicht lesen gehört, so hätte mich wahrscheinlich der Held des Buches, Besitzer eines Autohauses, von der Lektüre abgeschreckt.

Die Kombination aus gepflegter Sprache, einer gewissen sachlichen Distanz, großen emotionalen Zusammenhängen und Bewegungen, und Zwißlers Brillianz darin, sehr ernste Themen mit feinem, hintergründigen Humor zu durchsetzen, ohne sie ins Lächerliche zu ziehen, machen den Roman für mich zu einem unwiederbringlichem Lesegenuss.

Gekonnt verbindet er schwer zu lösende Fragen mit den Beobachtungen aus unserer Gegenwart. Chapeau! Das macht ihm so schnell keiner nach!

Wer sich auf die Auseinandersetzung mit Themen wie den Verlust der Sprache durch einen Schlaganfall und die Verlässlichkeit von Freundschaft einlassen kann, wird von dem Buch gewiss so begeistert sein wie ich.

Quelle: Facebookpost



Rezension zu Kaczmareks Arche

"Sammelsurium des sozialen Abstiegs" - Schweinfurter Tagblatt, 25.11.2022 von Karl Heinz Körblein

Hat man zunächst den Verdacht, dass der Autor sich an Klischees orientiert, merkt man bald, dass er seinen Figuren auch mit Empathie begegnet. Er beobachtet genau, schreibt ganz nah an den Figuren, nicht ohne Augenzwinkern. Geschickt verknüpft er einen zweiten Handlungsstrang. Die prekäre Beziehung des linksorientierten Karbacher mit Laura, die für eine Mittelstandsvereinigung arbeitet.

Quelle: Schweinfurter Tagblatt vom 25.11.2022



Rezension zu Österle & Escher

"Wenn die Sprache abhanden kommt" - Marler Zeitung, 13.1.2021 von Norbert Kühne

Hanns Peter Zwißlers Roman "Österle & Escher" ist in der Tat von dieser Welt. Doch anders als es der Titel suggeriert, geht es um die Ansammlung situativer Ausschnitte um den Autohausbesitzer Österle, der von einem auf den andern Tag wegen eines Gehirnschlags hilflos im Rollstuhl eines Krankenhauses gefesselt ist. Bewegen kann er sich nur minimal (linksseitige Lähmung); seine Sprache ist ihm abhandengekommen.

Österle kann sich und sein aktuelles Leben kaum ertragen. Eine eventuelle Verständigung mit seinem Compagnon Escher, mit dem er seine Firma aufgebaut hat, ist in weite Ferne gerückt: Der sture Escher ist auf einer großen Weltreise und nicht erreichbar. Österle könnte zudem nichts bewirken, denn er kann, der Sprache beraubt, kaum etwas mitteilen.

Beklemmend und feinfühlig entwickelt Zwißler das Unerträgliche, das man schon als Leser kaum aushält - eine unübersehbare Ähnlichkeit mit den derzeitigen Pandemie-Opfern.

Die Veränderlichkeit im Roman wird vorwiegend gezeichnet vom Leben auf dem Neckar, den Österle durchs Fenster im Krankenhaus still beobachten kann - und von den vielen Details aus dem vergangenen Leben des Kleinunternehmers, die ihn quälen, weil sie unvollendet und deswegen unbefriedigend geblieben sind.

Die wesentliche Hoffnung, eine Rückkehr Eschers, des Compagnons, rückt mit dem Verlauf der Erzählung in immer weitere Ferne. Allmählich aber werden die Menschen seiner täglichen Gegenwart zu Österles Erlösung. Sie alle basteln an Österles neuer Realität, die für ihn doch mittelbare Realität bleiben wird - aber zukünftig Erträglichkeit verspricht.

Es gelingt dem Autor, behutsam eine lebbare Existenz für Österle zu erschaffen: ein neues und zartes Konstrukt aus sprachlicher Kreativität.

Quelle: Marler Zeitung, 13.01.2021 (Leserkritik)



Rezension zu Rigolettos Hut

"Bist'n armes Dichterschwein!" - Schweinfurter Tagblatt, 9.4.2018 von Elke Tober-Vogt (Auszug)

Auch in diesem Roman bedient sich Hanns Peter Zwißler wieder einer sehr direkten, deftigen und prallen Ausdrucksweise. Die Dichte, Lebendigkeit, Derbheit , die vielen Fantasieauswüchse mögen mitunter die Grenze zur Übertreibung ausreizen (…), doch gerade dadurch stellt der Autor die Aberwitzigkeit und Absurdität mancher Bereiche des literarischen Zeitgeistes deutlich an den Pranger.

Neugierig geworden ist man am Ende der kurzweiligen Lesung, neugierig darauf, die weiten Bereiche der Wortkunst in „Rigolettos Hut“ zu erkunden, Zwißlers eigene und die seiner Hauptfigur Vinzent Bülow.

Quelle: Schweinfurter Tagblatt, vom 9.4.2018



Rezension zu „Blitzeis“

"Von gnadenloser Heiterkeit" - Marler Zeitung, 27.04.2016 von Norbert Kühne (Auszug)

Erzählungen zu schreiben, ist ein miserables Geschäft: Man kann trefflich dabei verhungern, verfügt man nicht über einen vermögenden Ehepartner. Wie es bei Zwißlers steht, weiß ich. Und nun, dank Hanns Peter Zwißlers "Blitzeis", weiß ich auch, dass Erzählungen zu Unrecht als minder vergnüglich eingeschätzt werden als Romane.(...)

Die Stücke sind jedenfalls wunderbar zu lesen, weil sie von einer gnadenlosen Heiterkeit durchdrungen sind. Sie sind leicht und duftig - nicht angekränkelt von der romanhaften Zielstrebigkeit langer Jahrhundertwerke.

Quelle: Marler Zeitung, 27.04.2016 (Leserkritik)



Rezension zu „Blitzeis“

„Spielerische Selbstverortung“ - Schweinfurter Tagblatt, 01.04.2016 von Mathias Wiedemann (Auszug)

Hanns Peter Zwißlers Schublade ist nun leer. Mit den 21 Erzählungen des Bandes "Blitzeis" ist jetzt alles auf dem Markt, was der Schweinfurter Schriftsteller veröffentlicht sehen will. (...)

"Blitzeis" beginnt mit der Erzählung "Zwei Großväter". (...) Dieser spielerische, ironisch distanzierte Tonfall zieht sich durch alle Geschichten. (...) Vom nachdenklichen Versuch der Selbstverortung in „Zwei Großväter“ über die satirische Beamtenposse „Nettelbeck über Kaltenbach“ (die ganz nebenbei beweist, dass man auch in indirekter Rede spannend erzählen kann) (...)

Quelle: Schweinfurter Tagblatt



Rezension zu „Das Rascheln des Glücks“

„Gemauschel und Geschacher“ - Medienhaus Bauer, 19.11.2014 von Norbert Kühne (Auszug)

Hanns Peter Zwißler ist ein erfahrener Autor: Lächelnd und ohne Hast nimmt er eine Situation im Amt für Korruptionsbekämpfung auseinander, die sein neuer Leiter leichtfertig verschuldet und der Stellvertreter mit Macht forciert hat. Die gesamte Behörde ist gelähmt, weil sie selbst in eine mächtige und Existenz gefährdende Korruptionsaffäre zu schliddern droht. (...) Diese Ästhetik von der Unfähigkeit, die Zwißler souverän entwickelt, zeichnet ein Bildnis vom Zustand einer Behörde, das wir alle zur Genüge kennen. (...) Wäre Becketts "Warten auf Godot" eine angemessene Assoziation? Die Ästhetik der Sprache Zwißlers erlaubt sie durchaus.

Quelle: Medienhaus Bauer



Rezension zu „Witwerverbrennung“

„Eine Liebe, die niemals eine war. Leserkritik“ - Marler Zeitung, 03.07.2013 von Norbert Kühne (Auszug)

Das ist ein böser Roman über die existenzielle Krise heutiger Menschen, die es nicht gelernt haben, Schönheit und Tiefe des Lebens als solche zu erleben - und zu genießen. Die Verzweifelten der letzten Jahrhundertwende also, die sich gerne von ihren Lieben grillen lassen.

Quelle: Marler Zeitung



Rezension zu „Witwerverbrennung“

„Witwerverbrennung. Der neue Roman von Hanns Peter Zwißler“ - Schweinfurter Tagblatt, 01.03.2013 von Mathias Wiedemann (Auszug)

Zwißler ist nah dran an seinem Helden. (...) Er schreibt farbig, kurzweilig und nicht selten witzig aus der sehr genau beobachteten Perspektive eines wachen, offenen Geistes, der es allerdings ziemlich gut beherrscht, die potenziell bedrohlichen Fragen nach Schuld und Verantwortung auszublenden. Eine weitere Geschichte einer gescheiterten Liebe – mit einer Art unparteiischer Anteilnahme erzählt. „Vielleicht tut es manchem Leser ja leid um die beiden“, sagt Zwißler.

Quelle: Schweinfurter Tagblatt



Rezension zu „Die Kunst des Scharfrichters und der Nutzen des Schafotts“

„Der Scharfrichter, als moralische Anstalt betrachtet“ - Histo-Couch, von Annette Japke (Auszug)

Die Kunst des Scharfrichters und der Nutzen des Schafotts ist keine kuschelige Lektüre vor dem Einschlafen. In diesem Buch werden viele Grausamkeiten geschildert, die wenigsten davon begeht der Scharfrichter. Hanns Peter Zwißler ist ein beklemmend realistisches Buch über die erste Phase der Großen Französischen Revolution gelungen, ein Buch, das nachdenklich stimmt und dem Leser viel zu verkraften gibt. Ein außergewöhnliches Thema und eine gelungene Erzählung, in sich stimmig, in die Tiefe gehend und mit philosophischem Anspruch.

Quelle: Histo-Couch



Rezension zu „Die Kunst des Scharfrichters und der Nutzen des Schafotts“

Die Kunst des Scharfrichters. Hanns Peter Zwißler liest aus seinem neuen Historienroman - Schweinfurter Tagblatt, 20.10.2011 von Alina Schwermer (Auszug)

Ein Marktplatz im Frankreich des 18. Jahrhunderts, kurz vor der Revolution. Ein Verbrecher wird aufs Podest geführt. Die Menge brodelt. Und aller Augen sind auf ihn gerichtet, den Scharfrichter, dessen Aufgabe es nun ist, den Kopf sauber vom Rumpf zu trennen. „Wenn der Scharfrichter ausholt, ducken sich sämtliche Nacken unter sein Schwert“, sagt Samson, Scharfrichter und Protagonist des Romans „Die Kunst des Scharfrichters und der Nutzen des Schafotts.“ (...)

Zwißler beschreibt in nüchternem, sachlichem Ton, wie eine mühevoll erlernte Arbeit durch ein technisches Instrument überflüssig wird. Aber es geht auch um Samsons Familie, die allmählich in die Zweifel der Zeit gerät. Dabei bleibt der Roman, obwohl er ein übergreifendes Thema behandelt, fest in seiner Epoche verankert, mit liebevollen historischen Details und kenntnisreichen Beschreibungen von Figuren und Hintergründen. (...)

Sprachlich überzeugend und atmosphärisch packend beschreibt er die Auseinandersetzung des Scharfrichters mit der neuen Entwicklung, seine Verweigerung gegenüber dem, was letztlich unumgänglich ist: Die Kunst des Scharfrichters wird dem Nutzen der Guillotine weichen.

Quelle: Schweinfurter Tagblatt



Rezension zu „Die Kunst des Scharfrichters und der Nutzen des Schafotts“

Zum Henker, ein verrückter Roman. Norbert Kühne aus Marl findet großen Gefallen an starkem historischen Tobak - Marler Zeitung, 12.10.2011 von Norbert Kühne (Wiedergabe mit freundlicher Genehmigung des Verfassers)

„Die Kunst des Scharfrichters und der Nutzen des Schafotts“: der Titel des in diesem Sommer auf den Markt gekommenen Romans von Hanns-Peter Zwißler verheißt „starken Tobak“. Scharfrichter Samson, am Vorabend der Französischen Revolution, sieht die Ordnung der Monarchie in Frankreich gefährdet. Nicht nur die Verbrechen drohen sich explosionsartig zu vermehren, auch die Intellektuellen und einige herausragende Repräsentanten des monarchistischen Systems scheinen durchzudrehen. Selbst Pfarrer haben offenbar Probleme, ihren Beruf auszuüben, in dem sie doch eigentlich bescheiden auf das jenseitige Leben hinweisen sollten. Stattdessen faseln sie von Glück und Gerechtigkeit im Diesseits.

Feinfühlig formuliert Samson in seinem kopf Befürchtungen über die Zukunft seiner Berufsausübung, während seine jüngere Tochter rebelliert und auch die Ehefrau kecke Sprüche vom Stapel lässt. Ein universeller Hexenkessel entfaltet sich um den Scharfrichter, der sich mit seinem Berufsethos an den Rand der Gesellschaft gedrängt fühlt. In seiner Stadt tobt der Mob, verändern sich soziale Strukturen atemberaubend. Da wird Samson plötzlich vom Rat der Stadt verpflichtet – er hat keine Wahl, ein revolutionäres Tötungsinstrument für die Recht-sprechung zu konstruieren, die Guillotine, um der neuen und erschreckenden Verbrechen Herr zu werden. Er ist alles andere als glücklich. Die Ereignisse überschlagen sich.

Der bayerische Historiker und Germanist Zwißler („Der Bröll“, 1998) hat sich fürwahr heißen Stoff ausgesucht. Die Durchsetzung von Recht und Gerechtigkeit in dieser Welt und in einer unruhigen Zeit. Diesen Stoff aber strickt er nicht mit heißer Nadel, vielmehr kommt die Darstellung der chaotischen Zustände im damaligen Frankreich wie ein idyllischer Familienroman Profunder Kenner der Geschichte einher, der sich das Leben der Scharfrichterfamilie vornimmt: er macht das gründlich, einfühlsam und doch sehr kritisch, wie es sich für einen profunden Kenner der Geschichte gehört. Überdies schreibt er für uns historische Grünschnäbel, als spielte der Roman in einer heutigen Kleinstadt Frankreichs.

So wird das Seelenleben des Henkers (Pardon: des Scharfrichters) vor uns ausgebreitet wie die Konfliktlage eines bedeutenden Zeitgenossen, der die Zeitläufte entscheidend beeinflusst hat: Sehr gut nachvollziehbar und lebendig, aber doch in der Spur epochaler Konflikte. Stringent und unerbittlich! Dabei nützt Zwißler die Spannung zwischen dem biederen Ernst der Moral eines Henkers und der braven Idylle des Familienlebens kurz vor einem Volksaufstand, der Europa tiefgreifend erschütterte. Zwißler lässt uns auch teilhaben an seinem persönlichen Kampf um die eindrucksvollsten Hintergründe des Romans und an seinen vorbereitenden Überlegungen, indem er eine Literaturliste (zur Französischen Revolution) anhängt. Eine originelle Idee! Zum henker, ein verrückter und spannender historischer Roman!



Besprechung zu „Alles ist im Fluss“

Sinnflut auf dem Garagendach. Untergang statt Utopie: „Alles im Fluss“ von Hanns Peter Zwißler in der Disharmonie - Schweinfurter Tagblatt, 13.05.2011 von Uwe Eichler (Auszug)

Fange mit einer Katastrophe an und versuche dich zu steigern: Der Autor Hanns Peter Zwißler beherzigte mit „Alles im Fluss“, seinem Bühnendebüt, die Hollywood-Weisheit: Für die Inspiration sorgte der Hurrikan Katrina, der 2005 New Orleans verwüstet hat, und das Versagen der Bush-Administration. (...)

Die Sinn-Flut in den gedrechselten Dialogen ufert manchmal aus, am Ende könnte manch einer die Schlusspointe vermissen. Dennoch ist „Alles im Fluss“ ein hochkarätiger Zwißler, voller ironischer Anspielungen auf die Bibel oder die Mythologie der Antike und deftiger Satire, Entmannung inklusive: In dieser „WG wider Willen“ wird gehasst, gefeilscht, gedroht, gedemütigt, geliebt – auch den Schauspielern nimmt man die Doppeldeutigkeit ihrer Figuren ab.

Alles scheint in der Postapokalypse auf den Kopf gestellt.: „Onkel Tom“, dem Namen nach Symbolfigur der schwarzen Bürgerrechtsbewegung Amerikas, ist ein Vergewaltiger und Rassist, der seinen Kampfhund auf naive Latino-Kinder loslässt.



Rezension zu „Die winkende Katze“

Die Lust an der Figur. Zwißlers neuer Roman - Schweinfurter Tagblatt am 02.11.2007 (Auszug)

Braunstett (der Protagonist, Anm.) findet gleichzeitig mit der jungen Frau Rosa einen Umschlag voller Geld und gerät in allerhand Verwicklungen erotischer und intellektueller Art. Zwißler verwebt Überlegungen des Erzählers, Dialoge und Zeitebenen auf engstem Raum, der Leser muss – oder darf – ihm folgen in eine Fülle von Gedankenspielen und Assoziationen von Bertrand Russel bis Irak. Auch „Die winkende Katze“ ist geprägt von Zwißlers Lust an der Sprache, einer leichtere, bewusst fahrlässigen diesmal. Und vom mitunter satirisch anmutenden Spaß, sich in einer anderen Figur auszuprobieren, den Helden Dinge tun zu lassen, die man sich sonst vielleicht nicht trauen würde.

Hanns Peter Zwißler: "Die winkende Katze", 144 S., Reimund Maier Verlag, 14,50 Euro, ISBN 978-3-926300-59-1



Rezension des Romans „Der Bröll“

Ein vergnüglicher skurriler Heimatroman aus dem Allgäu, 27. März 2000 - Rezension von Klaus Gasseleder (Wiedergabe mit freundlicher Genehmigung des Verfassers)

"Der Bröll", das ist der kernige Patriarch einer Allgäuer Bauernfamilie, dessen Existenz den Hintergrund bildet für die Jugendgeschichte seines Enkels Fidelis Bröll, des Ich-Erzählers des gleichnamigen Erstlingsromans Hanns Peter Zwißlers. Eine Allgäuer Familiensage also, wie der Verlag etwas vollmundig auf dem Umschlag ankündigt? Ein Weniger und ein Mehr zugleich: Für eine „Allgäusaga" fehlt der lange Atem, die Kontinuität über Generationen hinweg. Stattdessen breitet Zwißler in drei Teilen zunächst sein Personal, größtenteils recht skurrile Gestalten des dörflichen Lebens in Zwißlers Heimatregion um Sonthofen, vor dem Leser aus und gibt dann im zweiten Teil einen Einblick in die Erziehungsgeschichte des Fidelis Bröll vor dem Hintergrund von nationalsozialistischer Zeit, der Nachkriegsjahre und des grundlegenden Wandels bäuerlicher Existenz in der Wirtschaftswunderzeit und des aufkommenden Tourismus.

Man findet in Zwißlers Roman das ganze Inventar des kritischen Heimatromans und seiner unvermeidlichen Klischees, diese jedoch - und das ist (wie bei seinem schwäbisch-alemannischen Landsmann Arnold Stadler) das Neue - ins Komische und Groteske gewendet, selbst der Einbruch der NS-Zeit in das Dorf läßt sich nur als Farce erleben.

Im dritten Teil führt Zwißler den Leser aus dem Allgäu hinaus in die Großstadt Frankfurt, wo der der heimischen Enge entfliehende Fidelis einer Drückerkolonie in die Hände fällt und - für solch ein Leben mehr schlecht als recht vorbereitet - straffällig wird. Nach Verbüßung der Strafe kehrt er nur heim, um seinen Großvater und Übervater Bröll sterben zu sehen, seine Zukunft liegt in einer weiteren dubiosen Existenz, nunmehr in München.

Ein Roman, der etwas anderes ist als eine popularisierende Denunziation tumben Hinterweltlertums in einem abgelegenen Alpental, mehr ist als ein Psychogramm katholischer Familien- und Heimerziehung zu Duckmäusertum und Heimlichtuerei und eine Darstellung von gesellschaftlichen Umbruchprozessen. Zwißlers Erstlingsroman bietet nicht mehr und nicht weniger als einen kritischen, witzigen und zugleich unterhaltsamen Einblick ins das Unzulängliche und Groteske menschlichen Existierens.

Hanns Peter Zwißler, Jahrgang 1946, geboren in Sonthofen, in Schweinfurt lebend, hat in der renommierten „Edition Isele", in der u.a. Martin Walser, Jürgen Lodemann, W.H. Fritz, Johannes Poethen veröffentlichten, einen Roman vorgelegt, der über seine Allgäuer Heimat oder unterfränkische Wahlheimat hinaus Beachtung finden wird.

Hanns Peter Zwißler: Der Bröll. Roman. Eggingen (edition Isele), 169 Seiten.